Fliegenpilz - Zwischen Mythos, Rausch und Risiko

Fliegenpilz - Zwischen Mythos, Rausch und Risiko

Der knallrote Fliegenpilz (Amanita muscaria) mit seinen weißen Punkten ist eine der bekanntesten Pilzarten der Welt. Er gilt als Symbol für Glück, Magie und Märchen – doch sein Konsum ist riskant und kann lebensgefährlich sein. Anders als viele „klassische“ psychoaktive Pilze (z. B. Psilocybinhaltige Pilze) ist der Fliegenpilz kaum wissenschaftlich untersucht. Die wenigen Erkenntnisse stammen überwiegend aus Tierversuchen, Erfahrungsberichten und ethnobotanischen Überlieferungen.


Inhaltsstoffe des Fliegenpilzes

Der Fliegenpilz enthält ein komplexes Gemisch an Wirkstoffen, die sehr unterschiedlich wirken:

  • Muscarin
    Lange Zeit galt Muscarin als das „Hauptgift“ des Fliegenpilzes. Inzwischen weiß man: Es ist zwar enthalten, aber in geringer Menge und nicht die Hauptursache für die Wirkung.

  • Ibotensäure
    Eine neurotoxische Substanz, die durch Überstimulation von Rezeptoren und Kalzium-Überschuss Nervenzellen schädigen kann.

  • Muscimol
    Durch Decarboxylierung (z. B. beim Trocknen oder Erhitzen) wird Ibotensäure teilweise in Muscimol umgewandelt – der eigentliche Hauptwirkstoff des Pilzes. Muscimol wirkt vor allem auf das GABA-System des Gehirns, was zu sedierenden, traumartigen und teils dissoziativen Effekten führt.

  • Bufotenin (ein Tryptamin)
    Ebenfalls in Spuren enthalten, aber nicht hauptverantwortlich für die charakteristische Wirkung.


Wirkung auf das Gehirn

Muscimol beeinflusst das zentrale Nervensystem stark. Anwender berichten von einer Synchronisation der Gehirnwellen, wodurch sich die Schlafarchitektur verändert: REM- und Non-REM-Phasen können verlängert werden. Das kann zu besonders intensiven und lebendigen Träumen führen.


Wirkung – abhängig von der Dosierung

Die Wirkung des Fliegenpilzes ist sehr schwer vorhersehbar, da die Wirkstoffkonzentrationen von Pilz zu Pilz variieren:

  • Niedrige Dosis: Wirkung ähnelt Alkohol – Enthemmung, leichte Euphorie, motorische Unsicherheit.

  • Mittlere Dosis: Schwindel, Übelkeit, Euphorie oder Dysphorie (Stimmungsumschwung).

  • Hohe Dosis: Zeitliche und körperliche Verzerrungen, Müdigkeit, intensive Traumsequenzen.

  • Überdosis: Pantherina-Syndrom – Symptome reichen von Halluzinationen, starker Verwirrung, Delirium bis hin zu Koma. Lebensgefährlich!


Risiken und Gefahren

  • Lebensgefahr durch Überdosierung (Atemstillstand, Koma).

  • Unberechenbare Wirkstoffgehalte: Jeder Pilz hat andere Konzentrationen.

  • Nebenwirkungen: Starke Übelkeit, Schwindel, Erbrechen, Krämpfe.

  • Wenig Forschung: Nur wenige Studien, keine gesicherten Daten zur sicheren Dosierung.

👉 Deshalb: Der Konsum von Fliegenpilzen ist mit erheblichen Risiken verbunden.


Zubereitung – Traditionelle Methoden (nicht empfohlen)

In ethnobotanischen Kontexten wurden bestimmte Verfahren angewandt, um die Toxizität zu reduzieren:

  1. Nur die Hüte verwenden – Stiele enthalten andere Stoffe und sind noch schwerer einzuschätzen.

  2. Nie roh essen!

  3. Trocknen bei 70–80 °C: Dabei zerfällt ein Teil der Ibotensäure (bis zu 30 %) und wandelt sich in Muscimol um.

  4. Pulverisieren: Mit einem Mörser zu feinem Pulver verarbeiten, um gleichmäßige Wirkstoffverteilung zu erreichen.

  5. Abkochen: Pulver 20–30 Minuten in Wasser mit etwas Zitronensaft köcheln lassen. Das saure Milieu hilft bei der weiteren „Entgiftung“.

  6. Filtern: Den Sud durch ein Sieb abseihen. Da der Geschmack sehr intensiv ist, bereiten traditionelle Anwender nur kleine Mengen (wenige Zentiliter) zu.

⚠️ Diese Methoden senken zwar die Ibotensäure-Konzentration, machen den Pilz aber nicht sicher oder ungefährlich.


Fazit

Der Fliegenpilz ist ein mythenumwobener Pilz, der in Schamanismus, Märchen und Folklore seit Jahrhunderten eine Rolle spielt. Seine Wirkungen reichen von alkoholähnlicher Berauschung bis hin zu intensiven Traumzuständen.

Doch:

  • Die Dosierung ist extrem schwierig,

  • Die Risiken sind erheblich,

  • und der medizinische Nutzen ist kaum belegt.

Aus heutiger Sicht ist der Fliegenpilz kein „sicheres Entheogen“ und sein Konsum bleibt ein hohes gesundheitliches Risiko. Wer sich für ihn interessiert, sollte ihn eher aus ethnobotanischer, kultureller oder naturwissenschaftlicher Perspektive betrachten – nicht als Freizeitdroge.

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